The toten Crackhuren im Kofferraum (The TCHIK) – Album „Gefühle“  – 15.10.2021

The TCHIK veröffentlichen viertes Album „Gefühle“ – VÖ: 15.10.21 Bakraufarfita Records / Broken Silence

Die Gang mit dem familienunfreundlichsten Namen im Popbetrieb veröffentlicht ihr viertes Album „Gefühle

„Gefühle“ macht das Leben im Plattenbau beautiful again, empowert das Verkacken, erzählt von Panikattacken und verweist Männer auf ihren Platz (Hobelbank). 

„Scheiß auf deine Rolimoliguccimuccirarriamg / Ich hab noch nen Pfandbon / und nen Fünfer in mei’m Portemonnaie“ 

(Aus „Zurück in der Gosse“, The TCHIK)

Bling-Bling langweilt. Okay, nichts gegen Katzengold, Grillz, Strass-Steine auf deiner nächtlichen Beißschiene, nichts gegen ein Shopping-Haul von Bijoux Brigitte oder Forever 18 oder wer einem aktuell sonst so in Filialen am Bahnhof zu enge Oberteile und Glitzerkram verkauft… 

Aber warum sollte man mit seiner Musik andauernd Werbung machen für elitären Status-Scheiß und hochpreisigen Materialismus? Hat nicht die jüngste Pandemie gezeigt, wie wenig der Kapitalismus Kultur ohnehin wertschätzt? Also lieber Storys aus der eigenen Hood und vom eigenen Struggle erzählen, statt bei Bugatti zu schleimen.

Nicht nur hinsichtlich eines Lower-Class-Bewusstseins ist die grundsätzliche Haltung der toten Crackhuren im Kofferraum nah am Punk. Eine Haltung, die diese Band auch nie verlassen wird, egal, wie weit sie sich musikalisch noch aus dem Fenster in der Platte hängen wird. Punk dabei bitte als Metapher verstehen: Fürs Ausprobieren, fürs Einfachen-mal-Machen, fürs Grenzen in Frage stellen. Das Interessante am Punk ist ja längst nicht mehr das tradierte Geräusch. Mancher Schlager scheint heute weit mehr Punk als der ergraute Gitarren-Punkrock selbst. Doch zurück zu unseren Protagonistinnen…

Hinter dem verhaltensauffälligen Bandnamen verbirgt sich jetzt schon seit etlichen Jahren eine stabile Besetzung, richtig seriös. Das war nicht immer so. In den magischen späten Nuller Jahren, als alles los ging, waren sie eher ein Fluidum. Nicht mal ihr damaliges Label Universal wusste ganz genau, wen und vor allem wie viele man da unter Vertrag genommen hatte. Hauptsache grell. Na, schönen Dank. Heute ist klar, The TCHIK – wie man sie aus Platz- und Schamgründen auch schreiben kann – das sind Lulu, Doreen, Kristin, Ilay. Konkreter will es höchstens noch die Agentur für Arbeit wissen. Ansonsten gilt, das Geilste an so einem Band-Ding ist, eine richtige Gang zu sein – und wie sehr das bei The TCHIK zutrifft. 13 Jahre Showbiz übersteht man eben nur, wenn man’s wirklich miteinander ernst meint. Mit leichtem Gepäck und emotionaler Distanz ist bei dieser Band niemand geholfen. „Wir lieben uns übertrieben“, sagt Lulu und meint es auch genauso. Lulu ist es dabei auch, die die bandmäßige Care-Arbeit leistet, Texte schreibt, Geistesblitze der anderen mitunter in Songzeilen packt und sich um das große Thema Musik kümmert.

So erscheint jetzt das vierte Album der Crackhuren – unter eigener Regie, aus eigener Kraft. Große Labels sind eh nur Ballast und verwässern dir den Ausdruck. Die 13 Songs auf „Gefühle“, so heißt die Platte, können sowas gar nicht brauchen. Die erste Single „Bewerte mich“ bringt das unmissverständlich auf den Punkt. Eine ätzendes Mimikry aus Sätzen, die jede Frau so oder ähnlich über ihren Körper schon mal gehört haben dürfte, beiläufig, fahrlässig oder auch ganz bewusst gesagt. Aus dieser Geisterbahn so einen Hit zu zimmern, das muss man auch erstmal hinkriegen. Die Beats, als wären noch mal Marusha und die 90er, helfen auf jeden Fall.

Doch was für ein Reiz hätte es, bloß Chronistinnen von Bodyshaming zu sein? In dem Stück „Bau mir nen Schrank“ gehen The TCHIK gern einen Schritt weiter. Wie würde es klingen, wenn man Männer auf Aussehen und handwerkliche Fähigkeiten reduziert? Nun, für viele wohl eher düster. Das hier ist die hohe Kunst der tiefen Schläge und gerade deshalb Wohlfühl-Feminismus next level. Oder anders gesagt: „Ich hab gesagt, Du hältst die Fresse / wenn ich Springreiten guck’“.

In „Zurück in der Gosse / Living the Dream“ machen sich die Crackhuren den Soundtrack zum geilen Leben in prekären Verhältnissen lieber selbst. Die Doppelsingle ist eine Liebeserklärung ans eigene Milieu und was daraus erwachsen kann – auch ohne geerbte Wohnungen und einem kleinen Aktienportfolio. Songwriterin Lulu lebt selbst in der Platte in Ost-Berlin. Die Prekariats-Lyrik ihrer Band ist keine schicke Bürgerkinder-Kolportage, sondern findet sich beheimatet auf 28 Quadratmetern im 7. Stock.

Musikalisch könnte das alles nicht vielschichtiger sein. Das fängt doch schon bei Auswahl der Gäste an: Taby Pilgrim und Blond sind bei eben jenem „Bau mir einen Schrank“ dabei, an anderen Stellen hört man Babsi Tollwut, Archi Alert von der Terrorgruppe und Annette Benjamin von Hans-A-Plast. Kein Stück klingt wie das zuvor, jeder Song verlangt und bekommt seinen eigenen Sound. Und der reicht von Pop, Trap, Electro, Gitarre bis zum NDW-Schlager. Wichtig zu bemerken ist, dass ein solch großes Panorama aber nicht auf Kosten der Tiefenschärfe geht. Die Schau- und Wow-Werte können so doch erst richtig wirken. „Dass Texte auch mal emotionaler werden können,“ sagt Lulu, „damit habe ich mich erst sehr spät beschäftigt. Traurig-Sein, das war für mich lange Zeit einfach bloß Schwäche.“ 

Dass es jetzt anders ist, das hört man raus und so ist das alles hier weit mehr als bloß eine entgrenzte Jukebox mit geilen Slogans. Ironie ist nicht das letzte Mittel, manchmal steht sie auch im Weg und ein Song wie „Ein Herz bleibt ein Herz kann sich eben erst entfalten, wenn sie draußen bleibt. Das ist keine Floskel, das ist Fakt.

Wir sehen uns „Zurück in der Gosse“ – und mit jenen Pussycat Dolls auf Tabak, Zucker und Hartz klingt das einfach nur wie eine Verheißung. Danke dafür!

Text: Linus Volkmann

ThetotenCrackhurenimKofferraum.de / Facebook / Instagram

Label:Bakraufarfita Records / Vertrieb: Broken Silence

photos ©bastian bochinski

Video „Bau mir nen Schrank“ feat. Taby Pilgrim & BLOND

Video „Zurück in der Gosse / Living the Dream“

Video „Bewerte mich“

Video „OK Ciao“

Video „Minus 1″

Video „Ich und mein Pony

Spotify  – „Gefühle“

Coming soon!

Spotify  The TCHIK

Live Dates

Tour 2022

„Gefühlefühlefühle“ (Wolfgangpetristyle) – Tour ’22

02.03.22 Hamburg, Hafenklang
03.03.22 Hannover, Béi Chéz Heinz
04.03.22 Bochum, Trompete
05.03.22 Köln, Yuca
06.03.22 Wiesbaden, Schlachthaus / Kesselhaus
08.03.22 Jena, Rosenkeller
09.03.22 Dresden, Chemiefabrik
10.03.22 Stuttgart, Im Wizemann
11.03.22 Freiburg, Slow Club
12.03.22 Nürnberg, Club Stereo
13.03.22 München, Backstage Halle
16.03.22 Berlin, Privatclub

landstreicher-booking.de/artists/the-t-c-h-i-k